
Grenzen setzen und frei sein
Abhängigkeiten zu anderen Menschen fühlen sich oft unfrei an. Sie können uns auf Dauer sehr schaden. Wir entwickeln womöglich bestimmte Symptome, die unser Leben stark beeinträchtigen. Uns in einem negativen Kreislauf rotieren lassen. Der Grund, weshalb wir diese Belastungen erfahren, ist häufig die fehlende Fähigkeit zum Setzen gesunder Grenzen.
Im ersten Teil dieser dreiteiligen Artikelreihe erkläre ich dir, wie es zu solchem Ungleichgewicht kommen kann. Und mit welchen Konsequenzen wir dadurch zu leben haben.
Im zweiten Teil wirst du erfahren auf was wir achten können, um besser für unsere eigenen Bedürfnisse zu sorgen. Wie wir vielleicht auch leichter Grenzen setzen zu können.
Allerdings treffen wir auf dieser Reise oft Menschen in unserem Umfeld, die uns gerne gefügig halten möchten. Dabei greifen sie bewusst, aber auch oft aus Unwissenheit heraus, zu bestimmten Manipulationstechniken. Auf diese gehe ich im letzten Teil dieser Artikelreihe ein. Dazu erhältst du einige kleine Ratschläge, wie wir am besten damit umgehen können. Bitte beachte dabei, dass Beziehungen stets individuell sind. Ich kann somit nur einen kleinen Anteil an Beispielsituationen wiedergeben. Aber ich hoffe, dass du anhand dieser Beispiele vielleicht nachvollziehen kannst, auf welche Arten wir gesunde Grenzen setzen können.
Jedes Bedürfnis benötigt Grenzen
Bestimmte Situationen kennt jeder von uns. Es gibt Wochen, in denen einfach nichts zu funktionieren scheint. Wir fühlen uns gestresst. Wir haben Ärger in der Familie oder uns überkommt die Unzufriedenheit in der Partnerschaft. Gleichzeitig erbitten sich Freunde Unterstützung bei einem Umzug. Unser Vorgesetzter drängelt um eine zeitnahe Umsetzung bestimmter Ziele. Und zu allem Überfluss flattern Rechnungen ins Haus. Die wir dann, durch die ganze Hektik, vergessen haben zu bezahlen.
„Eigene Bedürfnisse und Grenzen brauche ich nicht. Ich schaffe das schon!“
Am Abend fallen wir erschöpft ins Bett und sehnen uns nach erholsamem Schlaf. Kurz vor dem Schließen unserer Augen beginnen jedoch störende Gedanken durch den Kopf zu schießen.
Habe ich schon das Lunchpaket meines Kindes für den Schulbesuch zusammengestellt?
Hat jemand aus der Familie schon den Geschirrspüler ausgeräumt?
Habe ich heute schon die Katze der Nachbarin gefüttert, die verreist ist und mich so nett um die Versorgung ihrer Katze gebeten hat?
Fragen über Fragen. Und noch bevor wir die Antworten auf diese wissen, wird uns bewusst, dass der nächtliche Schlaf in die weite Ferne rückt.
Warum fällt das Grenzen setzen so schwer?
Aber warum geraten wir in solche Situationen, die uns die Zeit rauben? Uns in Hektik und Stress verfallen lassen?
Und weshalb finden wir keinen Ausweg? Und fühlen uns von den Stunden und den Minuten des Tages getrieben?
Eine Antwort darauf finden wir in persönlichkeitspsychologischen Annahmen. Durch bestimmte Persönlichkeitsmuster neigen Menschen dazu, sich an andere Menschen vermehrt anzupassen. Dieses Verhalten zieht sich dann wie ein roter Faden durch ihr Leben. Solche Persönlichkeitsmuster entwickeln sich bereits in der frühen Kindheit. Durch die Erziehung der Eltern und der jeweiligen generationsbedingten Gesellschaft werden wir geformt. Wir werden an das Leben angepasst, was unsere Bezugspersonen als nützlich werten. Da Kinder zum Überleben von der Meinung und der Anerkennung ihrer Eltern abhängig sind, werden bestimmte Verhaltensstrukturen und Gedankenmuster kontinuierlich gefestigt.
Bei manchen Menschen ist dieses Persönlichkeitsmuster so stark ausgeprägt, dass sie einen abhängigen Persönlichkeitsstil entwickeln. Dieser Persönlichkeitsstil ist dabei eher als eine Richtung der eigenen Persönlichkeit zu betrachten. Es handelt sich weder um eine Erkrankung, noch um eine Störung. Sie kann sich aber in Stresssymptome äußern. Zu diesen können Schlaflosigkeit, Grübeln und Gedankenkreisen gehören. Auch Herzrasen, Herzstolpern und depressive Verstimmungen, bis hin zu ausgeprägten Depressionen treten oft auf.
Unsere Persönlichkeit ist der rote Faden fürs Leben
Personen, die solchen Persönlichkeitsstil aufweisen, haben noch nicht gelernt eigene Entscheidungen zu treffen. Sie suchen ihre Anerkennung im Außen.
Durch andere Menschen erhoffen sie sich Wertschätzung. Sie benötigen diese als Sicherheit für ihr seelisches Gleichgewicht. Häufig sind sie die fleißige Angestellte, die ihren Kollegen fast jeden Wunsch von den Augen ablesen kann. Ebenso richten sie sich genau an die vorgegebenen Arbeits – und Pausenzeiten im Unternehmen. Sie liefern ihre Berichte stets punktgenau zum Fristende in perfekter Ausarbeitung ab. Oftmals sogar eher.
„Ich werde geliebt, wenn ich immer da bin.“
Sie sind wahre Herzmenschen in Freundschaften. Haben stets ein offenes Ohr. Zeigen ein hohes Empathievermögen. Stets haben sie die besten Ratschläge für ihre Freunde. Auch helfen sie, wo sie nur können. Jede zusätzliche Verpflichtung wird neben den Verpflichtungen für das eigene Leben zusätzlich erledigt. Und das auch noch in perfekter Ausübung und Manier. Der Wunsch zum Setzen eigener Grenzen wird nicht realisiert.
Der Lohn für diese Mühe erschließt sich aus Anerkennung und Wertschätzung anderer. Ein Lob. Ein Danke. Gegebenenfalls eine Einladung zum Kaffee genügen häufig als Bezahlung.
Veränderung führt über ein bewusstes Erwachen
Sicher ist das Unterstützen von Freunden und Kollegen wichtig. Die Freundschaft und der Berufsalltag leben vom gegenseitigen Austausch. Doch welchen Preis zahlen wir dafür, wenn wir nicht mehr in den Schlaf finden?
Wir uns nur noch gehetzt fühlen?
Wir nicht mehr von dem Stress abschalten können?
Den sollten wir am Ende selbst kalkulieren.
Meistens erwachen wir erst, wenn wir bereits Symptome spüren und uns ausgebrannt fühlen. Wir fühlen uns schwach. Sehnen uns nur noch nach Ruhe.
Die meisten Menschen erholen sich infolge ihrer Mühen für einige Tage. Dann leben sie ihre Muster gewohnt weiter. Bis die nächste Erschöpfung über sie hereinbricht. Manche von ihnen leben dieses Muster bis zum Ende ihres Lebens. In einem ewigen Kreislauf aus der Suche nach Anerkennung und Erschöpfung. Eigenes Hinterfragen wird dabei oft abgewertet oder runtergespielt.
„Reiß dich zusammen.“
„Solche Tage oder Wochen hat doch jeder.“
„Die anderen schaffen es doch auch. Also Zähne zusammenbeißen und durch da.“
Für andere Menschen, die sich keine zwischenzeitliche Auszeit nehmen können, mündet ihr reges Leben früher oder später in eine Erkrankung. Wie in ein Burnout Syndrom oder in Depressionen. Häufig kommt es dabei vor, dass die Symptomatiken mit Medikamenten betäubt werden. Um wieder funktionieren zu können.
Bei der letzten Art von Menschen ist ein hohes selbstreflektorisches Vermögen vorhanden. An einem oftmals wiederholten Zeitpunkt von Erschöpfung sind sie in der Lage ihre Muster eigenständig aufzudecken. Sie hinterfragen ihre Handlungen und Ergebnisse. Sie erkennen ihr eigenes abhängiges Verhalten. Sind bereit es zu ändern, um sich frei von den Bedürfnissen anderer zu machen.
„Meine Bedürfnisse und Grenzen sind genauso wichtig, wie die der anderen!“
Häufig tritt dabei eine hohe Welle an Emotionen an die Oberfläche. Wut auf andere Menschen. Scham gegenüber sich selbst. Sie fühlen sich ausgenutzt. Die vorher gefühlte Wertschätzung anderer Menschen wirkt im Nachhinein oft unecht und gefügig haltend.
Fühle dich geherzt ❤️
Doch wie schaffen wir es diese Lage zu ändern? Uns unabhängig und gleichberechtigt auf Augenhöhe zu anderen Menschen zu bewegen? Wie können wir mit dem Gegenwind unserer Mitmenschen umgehen?
Darüber erfährst du in den zweiten und dritten Teilen dieser Reihe:
www.gluecksgoettin.de/nein ist das ja zu sich selbst
www.gluecksgoettin.de/manipulation – was kann ich dagegen tun?
Bildquellen: Unsplash/dev asangbam/rocknwoll/luis villasmil


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